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Stimmbildung

Die Stimmbildung ist das Resultat einer komplexen Interaktion verschiedener Körperteile und -funktionen. Grundsätzlich werden bei der Ausatmung die Stimmbänder im Kehlkopf Ihres Kindes durch die Atemluft zum Schwingen gebracht und der daraus entstehende Klang im Vokaltrakt verstärkt und hörbar gemacht. Die Trachealkanüle in der Luftröhre Ihres Kindes erschwert diesen Vorgang, da ein beträchtlicher Teil der Ausatemluft nun durch die Kanüle austritt und daher niemals die Stimmbänder und die oberen Atemwege erreicht.

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Wenn aus therapeutischen Gründen, wie z.B. bei beatmeten oder zu Aspiration neigenden Kindern, eine blockbare Kanüle verwendet werden muss, sind die oberen Atemwege komplett vom Luftstrom abgeschnitten, wodurch die Stimmbildung in diesen Fällen effektiv unmöglich gemacht wird. Bei vielen Kindern jedoch kann es gelingen, durch die Verwendung von speziellen sprachunterstützenden Hilfsmitteln und Techniken eine zufriedenstellende Stimmbildung zu erreichen.

Kleinere Trachealkanülen

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Es gibt letztlich nur zwei Wege, wie bei einem tracheotomierten Kind genug Luft zur Stimmbildung in die Stimmritzen gelangen kann: um die Kanüle herum, oder durch sie hindurch. Die erste Option zur Wiedererlangung des Sprechvermögens ist demnach die Verwendung einer kleineren Trachealkanüle, deren Durchmesser gering genug ist, um bei der Ausamtung eine größere Menge Luft an der Kanüle vorbei in die oberen Atemwege fließen zu lassen. Dadurch steht Ihrem Kind mehr Atemluft zur Verfügung, um die Stimmbänder zum Schwingen zu bringen.

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Leider ist die Verwendung von kleineren Kanülen nicht bei allen Kindern möglich. Zunächst einmal ist der Durchmesser der Luftröhre von Säuglingen und Kleinkindern von sich aus bereits sehr eng, sodass eine ausreichende Atmung oft nur durch eine Kanüle in normaler Größe gewährleistet werden kann. Auch bei größeren Kindern kann der Freiraum in der Luftröhre durch externe Faktoren, wie z.B. Granulationsgewebe oder Sekretansammlungen, verringert und der Luftstrom somit beeinträchtigt oder unterbunden werden. In diesen Fällen sollten Sie Ihren Arzt konsultieren um festzustellen, ob das Granulationsgewebe entfernt oder die Sekretmenge verringert werden kann.

Gefensterte Trachealkanülen

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Die zweite Möglichkeit besteht in der Verwendung von gefensterten Kanülen [ Abb. 2 ], bei denen sich eine Reihe kleiner Öffnungen, oder Fensterungen, in der Krümmung der Kanüle befinden, durch die Atemluft beim Ausatmen in die oberen Atemwege und Stimmritzen gelangen kann. Auf diese Weise kann eine Stimmbildung auch bei Kindern, deren Kanüle die Luftröhre vollständig ausfüllt, möglich werden.

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Auch für gefensterte Kanülen gilt jedoch, dass ihr Einsatz bei Säuglingen und Kleinkindern eher selten ist, da aufgrund des extrem geringen Luftröhrendurchmessers nur schwer gewährleistet werden kann, dass die Öffnungen nicht an der Luftröhreninnenwand anliegen und so den Luftstrom zu den Stimmritzen ganz oder teilweise unterbinden. Darüber hinaus kann sich bei Kindern aller Altersstufen Granulationsgewebe in den Fensterungen verfangen und diese verstopfen. In extremen Fällen kann Granulationsgewebe sogar durch die Öffnungen in die Kanüle hineinragen und diese komplett blockieren, was zu Atemnot führen kann. Die Verwendung gefensterter Kanülen ist folglich nur im Kontext regelmäßiger Beobachtung und Kontrolle durch den behandelnden HNO-Arzt ratsam.

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Wenn eine dieser beiden Optionen für Ihr Kind nutzbar gemacht werden kann, ist es sogar möglich, dass Ihr Kind den erzielten Effekt noch zusätzlich vergrößert, indem es bei der Ausatmung die Öffnung der Trachealkanüle mit einem Finger oder mit seinem Kinn vollständig verschließt, um die gesamte Ausatemluft in die Stimmritzen fließen zu lassen. Diese Technik setzt allerdings voraus, dass Ihr Kind alt und verständig genug ist, um die eigene Atmung bewusst zu kontrollieren.

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Abb.1: Eine Tracheotomie kann das Leben in vielerlei Hinsicht verändern

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Abb.2: Eine gefensterte Kanüle mit Öffnungen in der Krümmung der Kanüle

Sprechventile

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Das Schließen der Kanülenöffnung bei der Ausatmung kann auch durch die Verwendung eines Sprechventils [ Abb. 3 ] automatisiert werden. Dieses Ventil, das mit einem 15-mm Standardkonnektor auf die Öffnung der Trachealkanüle aufgesteckt wird, öffnet sich bei der Einatmung, schließt sich jedoch bei der Ausatmung von alleine und leitet so die gesamte Ausatemluft in die oberen Atemwege um. Sprechventile sind klein, leicht und in vielerlei Formen und Modellen erhältlich, darunter auch solche mit einem eingebauten Anschluss für die Verabreichung von Sauerstoff.

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Bedenken Sie beim Einsatz von Sprechventilen unbedingt, dass der Luftweg oberhalb der Trachealkanüle durch Granulationsgewebe oder Sekret blockiert werden kann, wodurch die Ausatmung erschwert und Ihr Kind in ernsthafte Gefahr geraten würde, wenn es aus irgendeinem Grund nicht in der Lage sein sollte, das Ventil im Notfall sofort zu entfernen. Bei Kindern, die sehr viel Sekret in Luftröhre und Trachealkanüle haben, sei es chronisch oder nur zeitweilig, kann das Ventil durch das Sekret verklebt und blockiert werden, sodass der Einsatz eines Sprechventils unter diesen Umständen gefährlich sein kann.

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Jedes dieser Hilfsmittel zur Stimmbildungsunterstützung bedeutet für Ihr Kind eine Veränderung der Atemtechnik, da bei der Ausatmung ein Hindernis, die Trachealkanüle in der Luftröhre, überwunden werden muss. Es ist möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass Ihr Kind diese Veränderung zunächst als unangenehm und störend empfinden wird. Sie sollten daher beim Einsatz dieser Mittel Ihrem Kind eine angemessene Eingewöhnungsphase einräumen und es zunächst täglich mit sehr kurzen Zeitspannen versuchen, die nur dann schrittweise verlängert werden, wenn Ihr Kind gut damit zurechtkommt. Es ist auch denkbar, dass Ihr Kind den Einsatz eines dieser Hilfsmittel überhaupt nicht toleriert. Auf jeden Fall kann die Verwendung sprachunterstützender Hilfsmittel nur in engster Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt erfolgreich gestaltet werden.

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Abb.3: Sprechventil, das auf einen 15mm Standardkonnektor gesteckt werden kann

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