PFLEGERATGEBER TRACHEOTOMIE
Einführung
Dieser Pflegeratgeber richtet sich im Einklang mit den Zielen der Stiftung NOAH speziell an die Eltern und Betreuer tracheotomierter Kinder. Obwohl der Großteil der hierin enthaltenen Informationen für Tracheotomiepatienten aller Altersgruppen relevant sein dürfte, gibt es durchaus Differenzen zwischen Kinder- und Erwachsenenpflege. Pfleger erwachsener Patienten sollten daher unbedingt auch alternative Informationsquellen zu Rate ziehen, um festzustellen, ob ihnen gegebenenfalls weitere Optionen offen stehen.
Der Ratgeber ist nach Rücksprache mit einer Vielzahl von qualifizierten Fachleuten erstellt worden. Es ist jedoch leider nicht auszuschließen, dass sich Fehler eingeschlichen haben könnten oder die hierin empfohlenen Behandlungen für Ihr Kind nicht geeignet sind. Sie sollten daher bei therapeutischen Entscheidungen im Interesse Ihres Kindes unbedingt Ihren behandelnden Arzt oder eine andere qualifizierte Fachkraft konsultieren.
Hintergrund
Da die beiden Ausdrücke Tracheotomie und Tracheostomie einander sehr ähnlich sind, werden sie oft verwechselt, obwohl sie unterschiedliche Bedeutungen haben. Das Wort Tracheotomie bezeichnet den operativen Vorgang, bei dem ein Einschnitt in die Luftröhre vorgenommen wird, um einen künstlichen Luftweg zu schaffen. Dies geschieht bei Kindern, deren Fähigkeit zur freien Atmung durch Krankheit oder Verletzung beeinträchtigt oder verloren worden ist. Die daraus entstehende Öffnung wird Tracheostomie oder auch Stoma genannt und wird durch das Tragen einer Trachealkanüle offen gehalten.
Da dieser Eingriff eine unmittelbar lebenserhaltende Maßnahme darstellt und das Leben der Betroffenen vielfältig beeinflussen kann, leben tracheotomierte Patienten oft in einem Zustand erhöhter Pflegebedürftigkeit. Eltern und Pfleger müssen eine Reihe von anfangs schwierigen, oft einschüchternden Maßnahmen meistern, um das Kind angemessen versorgen zu können. Es ist das Ziel dieses Pflegeratgebers, in der Kunst der sicheren und entspannten Verrichtung dieser Aufgaben eine solide Basis zu vermitteln.
Trachealkanülen werden gelegt, oft im Rahmen eines Notfalls, um die Auswirkungen einer Grunderkrankung oder Verletzung zu umgehen, durch die der normale Atemweg zwischen Nase oder Mund und den Lungen beeinträchtigt oder unterbrochen wird. Die Tracheotomie kuriert also nicht die eigentliche Grunderkrankung, sondern schafft lediglich einen künstlichen Luftweg, durch den das Kind frei atmen kann.
Indikationen
Falls die Ursache der Störung in den oberen Atemwegen liegt, erlaubt das Tragen einer Trachealkanüle die Umgehung des gesamten Problembereichs und ermöglicht so dem Kind die Atmung. Falls jedoch die Störung durch eine unzureichende Eigenatmung des Kindes verursacht wird und das Kind daher über einen längeren Zeitraum beatmet werden muss, kann durch das Legen einer Trachealkanüle die Notwendigkeit einer Langzeitintubation umgangen werden.
Man unterscheidet also im Allgemeinen zwischen zwei Hauptindikationsgruppen für eine Tracheotomie:
STÖRUNGEN IM BEREICH DER OBEREN ATEMWEGE
Störungen im Bereich der oberen Atemwege können durch eine Obstruktion oberhalb oder auf der Höhe des Kehlkopfes entstehen. So kann zum Beispiel die Luftröhre eines Kindes zu eng, zu weich oder instabil sein, wodurch die Atmung stark erschwert wird und die Entwicklung des Kindes gegebenenfalls gefährdet werden könnte. Bei anderen Kindern werden die Störungen durch Verletzungen am Kehlkopf, am Hals, im Gesicht oder im Mundraum verursacht. Wieder andere haben einen Tumor oder eine neurologische Störung, die den Atem- oder Schluckvorgang so beeinträchtigt, dass eine Tracheotomie unumgänglich wird, um zu verhindern, dass Speichel oder Speisen in die Luftwege geraten.
LANGZEITBEATMUNG
Eine Langzeitbeatmung kann nötig werden, wenn Kinder die Fähigkeit zur ausreichenden Eigenatmung zeitweilig oder ganz verloren haben. Potentielle Ursachen für diesen Verlust sind unter Anderem Querschnittslähmungen, chronische Lungenkrankheiten, Brustkorbverletzungen oder auch neurologische und neuromuskuläre Krankheiten, welche die Atemmuskulatur oder das Zwerchfell lähmen. Bei einer Intubation wird ein Tubus über Mund oder Nase in die Luftröhre gelegt, um das Kind durch Anschluss eines Beatmungsgeräts beatmen zu können. Um die möglichen Komplikationen einer Intubation, wie z.B. eine Schädigung des Kehlkopfes oder der Luftröhre, zu vermeiden, kann eine Tracheotomie vorgenommen werden, sodass das Beatmungsgerät direkt an die Trachealkanüle angeschlossen werden kann.
Verschluss des Tracheostomas
Falls die Gründe, die ursprünglich zur Tracheotomie Ihres Kindes führten, eines Tages beseitigt oder ausreichend gelindert werden können, kann ein dauerhafter Verschluss des Tracheostomas in Betracht gezogen werden. Dieser Vorgang geschieht meist schrittweise, wobei die Trachealkanüle für zunächst kurze Zeitspannen abgestöpselt wird, sodass das Kind durch den Mund oder die Nase atmen kann. Wenn diese Maßnahme erfolgreich verläuft, können die Zeitspannen immer weiter vergrößert werden, bis die Trachealkanüle schließlich guten Gewissens vollständig entfernt und das Tracheostoma verschlossen werden kann. Bei Kindern, die auf Grund einer Atemwegsverengung tracheotomiert wurden, kann ein chirurgischer Eingriff zur Rekonstruktion des Atemwegs erforderlich sein, bevor eine vollständige Entfernung der Kanüle und eine Schließung des Tracheostomas möglich ist.
Leben mit einem tracheotomierten Kind
Obwohl eine Tracheotomie auf den ersten Blick nur einen kleinen Teil des Körpers zu beeinflussen scheint, hat sie in Wirklichkeit umfassende Auswirkungen auf fast alle Aspekte eines Kinderlebens. Diese werden in den einzelnen Kapiteln dieses Pflegeratgebers ausführlich behandelt und beinhalten neben sehr spezifischen Themen wie dem Wechsel der Trachealkanüle oder des Haltebändchens auch generelle Punkte wie das Sprechen, Essen oder Baden mit einer Tracheostomie.
Die wichtigste Neuerung jedoch ist, dass ein tracheotomiertes Kind jederzeit in eine Notfallsituation geraten kann, da in den meisten Fällen eine ungehinderte Atmung nur möglich ist, solange die Kanüle korrekt im Stoma sitzt und voll funktionstüchtig ist. Daraus folgt, dass ein tracheotomiertes Kind rund um die Uhr von Eltern oder geschulten Pflegekräften, die alle Aspekte der Trachealpflege und Reanimation beherrschen, mit höchster Wachsamkeit beaufsichtigt werden muss.
Im Kapitel Komplikationen dieses Pflegeratgebers finden Sie weitergehende Informationen, um mit einer Notfallsituation verantwortungsbewusst umzugehen und die Gefahr für Ihr Kind durch schnelles und gezieltes Eingreifen zu minimieren.
Spätestens dadurch wird klar, dass die Tracheotomie eines Kindes auch für das Leben der Eltern eine gewaltige Veränderung darstellt, da Sie, als die für Ihr Kind verantwortlichen Personen, zwischen dem angemessenen Schutz des Kindes einerseits und der freien und natürlichen Entwicklung des Kindes andererseits, die richtige Balance finden müssen. Das Abwägen zwischen diesen beiden Extremen und die Kunst, sie zum Wohle Ihres Kindes miteinander zu verbinden, ist ein mitunter langwieriger Prozess, dessen Ziel es sein sollte, jede Situation im Voraus nach diesen Gesichtspunkten einschätzen und entsprechend handeln zu können.
Auch ein tracheotomiertes Kind braucht eine natürliche Umgebung
Ausrüstung
Sobald Ihr Kind tracheotomiert ist, müssen Sie den Umgang mit einer ganzen Reihe von Ausrüstungs-gegenständen, Geräten und Zubehör lernen, um die verschiedenen Trachealpflegeprozeduren effizient und schonend durchführen zu können. Das Leben Ihres Kindes wird davon abhängen, wie gut und wie zuverlässig Sie die Bedienung dieser Geräte beherrschen, daher ist es wichtig, dass Sie sich dieses Wissen schnell und gründlich aneignen. Eine detaillierte Besprechung vieler dieser Geräte finden Sie in den entsprechenden Kapiteln dieses Pflegeratgebers, es gibt jedoch einige generelle Richtlinien, die Sie in Betracht ziehen sollten.
Zunächst einmal ist es ratsam, speziell für die Trachealpflege einen Ort in Ihrer Wohnung einzurichten, an dem Sie alle Pflegemaßnahmen durchführen und das Zubehör aufbewahren. Das ist deswegen empfehlenswert, weil sich jede der Trachealpflegeprozeduren jederzeit in einen Notfall verwandeln kann, der Ihre sofortige Aufmerksamkeit verlangt und nicht zulässt, dass Sie erst aus entlegenen Ecken Ihrer Wohnung das dafür benötigte Zubehör einsammeln.
Unterwegs mit Ihrem Kind
Wenn Sie einmal nicht zuhause sind, sei es nur für einen kurzen Spaziergang oder für einen längeren Ausflug, sollten Sie eine spezielle Tasche vorbereiten, in der alles vorhanden ist, um jeden erdenklichen Fall von normaler Trachealpflege bis hin zu Notfällen zu bewältigen. Diese Tasche sollte jederzeit vollständig gepackt und griffbereit sein, damit sie nicht jedes Mal von Neuem gepackt werden muss. Auch wenn Ihr Kind zur Schule oder in den Kindergarten geht, muss die Notfalltasche immer dabei sein. Überprüfen Sie den Inhalt der Tasche regelmäßig und ersetzen Sie Teile, die fehlen oder deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist.
Der Inhalt dieser Tasche ist, je nach den spezifischen Begleiterscheinungen der Erkrankung, von Kind zu Kind verschieden und sollte in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt festgelegt werden. In den meisten Fällen wird der Inhalt der Tasche aus einigen, gegebenenfalls auch aus allen, der nachfolgenden Hilfsmittel bestehen:
Ein Reanimationsbeutel für die manuelle Beatmung
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Tragbares Absauggerät mit Akku
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Manuelles Absauggerät
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Absaugkatheter
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Trachealkanüle
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Trachealkanüle - eine Größe kleiner
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Kanülenbändchen und eine Schere
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Verbandszeug für die Stomapflege
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Sterile Kochsalzlösung
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Gleitmittel auf Wasserbasis
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Reanimationsbeutel
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Zusätzliche 15mm Standardkonnektoren
für feuchte Nasen -
Feuchte Nasen
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Desinfektionsmittel
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Nasenspekulum
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Ein mobiles Telefon
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Telefonnummern von Ärzten und Notdiensten
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Medizinische Hintergrundinformationen
Ihres Kindes
Unterwegs mit einem tracheotomierten Kind